Interview mit Oliver Girharz “Warum Passivhäuser nicht zum Lifestyle Mallorcas passen”

2021-11-02
Interview mit Oliver Girharz “Warum Passivhäuser nicht zum Lifestyle Mallorcas passen”
Interview mit Oliver Girharz “Warum Passivhäuser nicht zum Lifestyle Mallorcas passen”

Interview mit Oliver Girharz “Warum Passivhäuser nicht zum Lifestyle Mallorcas passen”

Bauprojektmanager und Sachverständiger Oliver Girharz über aktuelle Trends und Topics auf den Baustellen von Wohnimmobilien auf Mallorca.

Makler, Bauunter­nehmer und regionale Architektenkammer sind in der Regel die meist zitierten Quellen, wenn es darum geht, den Status Quo von Mallorcas Immobilienbranche hinsichtlich der aktuellen Preisentwicklung, Angebot und Nachfrage darzustellen. In wieweit dabei eigene Interessen eine Rolle spielen, sei dahingestellt.
Oliver Girharz, Geschäftsführer des  seit etlichen Jahren auf der Insel ansässigen Bauprojektmanagement-Büros "Matrol" gilt in der Branche dagegen als Eminenz für die unabhängige Beur­teilung privater Zement- und Mörtel- Vorhaben.

Bauprojektmanagement. Klingt wichtig. Aber wirklich nötig?
Unsere Kunden sind in der Regel Ausländer, die auf Mallorca ein Bauprojekt verwirklichen möchten. Beispielsweise den Neubau einer Villa, oder die Sanierung einer Bestandsimmobilie. Die wenigsten von ihnen verstehen etwas vom Bauhandwerk, und schon gar nicht in einer ihnen unbekannten Sprache. Wir übernehmen also in ihrem Auftrag die Betreuung des Projektes.

Das heißt?
Der Neu- oder Umbau in einem fremden Land birgt zahlreiche Risiken. Nicht zuletzt aufgrund seiner damit verbundenen Kosten. Unser Unternehmen bietet in erster Linie die professionelle Beratung hinsichtlich der Verwirklichung des geplanten Bauprojektes. Wunsch und Realität liegen dabei allerdings häufig auseinander.

Ausländische Bauherren auf Mallorca sind also naiv?
Nicht mehr und nicht weniger als sonst irgendwo. Das größte Problem bei Bauprojekten von Ausländern auf der Insel sind oftmals deren falsche Vorstellungen. Mallorca zählt für viele immer noch als Art südeuropäisches Entwicklungs­land. Baukosten müssten hier doch eigentlich aufgrund vermeintlich niedriger Lohn- und Herstellungskosten billiger als in Zentral- und Nordeuropa sein.

Und das stimmt nicht?
Das Gegenteil ist eher der Fall. Die meisten Baumaterialien müssen ja vom Festland mit dem Schiff auf die Insel transportiert werden. Das treibt insbesondere bei hochwer­tigeren Baustoffen die Preise in die Höhe.

Wie sieht es aktuell mit der Dauer für die Vergabe von Baugenehmigungen auf Mallorca aus?
So wie vor der Corona-Krise. Eine Planungssicherheit hinsichtlich der Fertigstellung eines Bauprojektes gibt es nicht. Sowohl die gesetz­lichen und technischen Vorgaben als auch die Bearbeitungsdauer von Anträgen sind von Gemeinde zu Gemeinde verschieden. Allerdings: Umso komplexer das Projekt, umso länger kann es dauern. Genehmigungen für Renovierung- oder Sanierungsarbeiten werden zügiger genehmigt. Dennoch führt das in der Regel langwierige Procedere hinsichtlich der Ausstellung behördlicher Bescheinigungen auf Mallorca bei vielen ausländischen Bauherren zu Unverständnis und Verärgerung.

Bauen auf Mallorca ist also keine einfache Sache.
Sie wird schwieriger. Gerade bei Neubauprojekten in ländlichen Gegenden wurden die gesetzlichen Bestimmungen hinsichtlich der maximalen Bebauungsfläche im vergangenen Jahr inselweit verschärft. Das stößt natürlich aktuell bei potentiellen ausländischen Investoren nicht gerade auf Begeisterung.

Die Preise für Baugrund auf Mallorca fallen also aufgrund der sinkenden Nachfrage.
Die Nachfrage nach Baugrund ist auf der Insel weiterhin hoch. Das war selbst beim Corona-Ausbruch im vergangenen Jahr nicht anders. Wir registrieren im Vergleich zu früher allerdings eine steigende Nachfrage nach Umbauprojekten von Bestandsimmobilien.

Also als Investition, um den Immobilienwert im Falle eines Verkaufes zu erhöhen?
Das kann ich so nicht sagen. Sicherlich gibt es derzeit zahlreiche Sanierungsprojekte, die einzig und allein darauf abzielen, den Wert der Immobilie mit Hilfe eines einfachen Make-ups, also der oberflächlichen Sanierung oder Modernisierung, höherwertig auf dem Markt zu platzieren. Das ist aber nicht unser Klientel. Unsere Kunden wollen mit Aus- oder Umbauarbeiten in erster Linie die Wohnqualität ihrer Insel-Immobilie erhöhen.

Energie- und Heizkosten steigen derzeit europaweit in ungeahnte Höhen. Welche Auswirkungen hat diese Entwicklung für Neubau- und Sanierungsprojekte auf Mallorca?
Ich glaube, dass kein Immobilienbesitzer auf der Welt daran interessiert ist, sein Geld aus dem Fenster zu werfen. Zeitgemäße, sprich energiesparende Bau- und Dämmstoffe, sowie eine effiziente Haus-Klimatechnik sind bei Neubauten auf Mallorca weitgehend Standard. Allerdings unterscheiden sich die Ansprüche von ausländischen Bauherren oder Besitzern   auf Mallorca hinsichtlich der Energieeffizienz ihrer Immobilien von denen in Zentral- oder Nordeuropa.

Inwiefern?
Grundsätzlich sollten sowohl Wohn- als auch Gewerbegebäude so energieeffizient wie möglich gebaut werden. So sieht es zudem eine EU-weite Vorgabe für Neubauten vor. Stichwort: Passivhaus. Der Energieverlust liegt bei Passivhäusern aufgrund modernster Dämmeigenschaften und Computer gesteuerter Umlufttechnik nahezu bei null. Ein offenes Fenster oder eine offene Tür ist für diese Konzept ein absolutes No-Go. Doch genau das wollen ausländische Hausbesitzer auf Mallorca: Möglichst große, licht-geflutete  Fensterfronten und von überall nach draußen führende Raumübergänge. Erzählen Sie denen mal, dass sie das ganze Jahr über die Fenster geschlossen halten sollen.

Interview Andreas John IZ und Oliver Girharz Geschäftsführer MATROL - DEUTSCHES ARCHITEKTUR- & BAUPROJEKTMANAGEMENTBÜRO



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